Kann man den klassischen Leitmedien nicht mehr vertrauen? Sind die alternativen Medien eine passende Antwort auf einen Vertrauensverlust der etablierten Marktteilnehmer? Fragen, die Albrecht Gundermann für ohfamoos beackert hat. Zuvor hatte sich bereits Antje Voß mit „den“ Medien beschäftigt. Der Hamburger ist, was alternative Medien betrifft, deutlich skeptischer als die Wahl-Kölnerin und stellt bohrende Fragen zu deren Finanzierung…Hier sein Gastbeitrag.
Wir können es uns einfach machen. ohfamoos (1.016 „gefällt mir“ auf Facebook) ist ein gutes Beispiel dafür, daß alternative Medien tatsächlich die Medienlandschaft mit Anspruch und Witz vielfältiger machen. Alternative Medien sind zudem vermutlich unabhängig und bilden angeblich auch keine Konglomerate, die zu viel Macht in wenigen interessierten Händen konzentrieren.
Steckt die Zukunft voller wunderbarer Berichterstattung?
Aber ist das wirklich alles so einfach? Dürfen wir jubeln und in eine Zukunft voller wunderbarer Berichterstattungen blicken? Werden die Menschen besser informiert sein als jemals zuvor und sich eigene Meinungen bilden können? Oder gibt es doch auch Anlaß zur Sorge?
Das Netz steckt voller „alternativer“ Interviews.
Wenn man den Begriff „alternative Medien“ bei Google eingibt, erhält man als erstes einen Hinweis auf die „Epoch Times“, deren deutsches Büro aus einer Handvoll ungelernter Journalisten besteht, die tendenziöse Berichte aus dem Internet zusammenklauben. Danach folgt ein Hinweis auf das Magazin „Freie Welt“, betrieben von Sven von Storch. Hauptthemen: Soros und Merkel machen gemeinsame Sache. Und die UN plane die Massenumsiedlung von Millionen Menschen. Auch auf der Liste: „Compact“ (Printauflage wohl rund 50.000, „Compact TV“ hat 65.000 Abonnenten) von Jürgen Elsässer, der die erstaunliche Karriere vom Kommunistischen Bund zum Wortführer des offen rechtsextremen AfD Flügels absolviert hat. Gerne reist Elsässer auch mal in den Iran und bejubelt Präsident Ahmadineschad. Oder Google leitet uns zum „Contra-Magazin“, das laut Impressum auf den Seychellen seinen juristischen Sitz hat.
Wer sind diese alternativen Medien?
Sie sind die Adressen, an die man sich wenden soll, wenn wissende Bekannte einem zu raunen, man solle sich doch mal in der Debatte um 9/11, über die Rolle der CIA und des Mossad informieren und „selbst recherchieren“. Sie erlebten einen erstaunlichen Aufstieg seit Anfang 2014 im Zuge der sogenannten „Mahnwachen für den Frieden“. Der Westen stünde im Zuge der Ukrainekrise vor einem Krieg gegen Rußland. Dagegen protestiere man. Initiator Mährholz verkündete, die amerikanische Zentralbank „Federal Reserve“ sei seit 1913 für alle Kriege in der Welt verantwortlich gewesen. Gerne fallen in diesem Zusammenhang die Namen Rothschild oder Rockefeller als die wahren Lenker der Welt. Unterstützt wurde Mährholz zum Beispiel von Ken Jebsen und dem bereits genannten Jürgen Elsässer. Oder von dem wirren Begründer der „Wissensmanufaktur“, Andreas Popp, einem begabten Rhetoriker.
Jebsen, Elsässer und Herman geben gern den Ton an
Jebsen befragt auf seinem Kanal Kenfm gerne Elsässer, Elsässer interviewt dagegen gerne Jebsen, beide wurden gerne vom verurteilten und mittlerweile verstorbenen Holocaust-Leugner „Honigmann“ zitiert, der es auf Millionen Klicks geschafft hat mit einer esoterischen Nazimischung. Immer mit dabei: Russia Today, die sich ebenfalls ausschließlich durch das Netz in Deutschland verbreiten. Dort wiederum begrüßt man gerne Eva Herman, die ansonsten bei der bereits genannten Wissensmanufaktur (85.000 Abonnenten) arbeitet. Das sind Zahlen die in Anbetracht der sinkenden Auflagen etablierter Tageszeitungen aufhorchen lassen.
Wer sind diese Leute, die heutzutage offenbar einen großen Teil der Bevölkerung mit Nachrichten versorgen?
Ken Jebsen zum Beispiel ist ein Künstlername von Mustafa Kashefi, der einst bei verschiedenen TV- und Radiosendern für seichte Unterhaltung sorgte, bis er zum Dampfplauderer wurde. RBB entließ ihn in 2011, nachdem Henryk Broder den Vorwurf des Antisemitismus gegen ihn erhoben hatte. Seitdem betreibt er seinen eigenen Online Kanal „Kenfm“ (225.000 Abonnenten). Sehr schnell findet man von ihm leidenschaftliche Reden gegen die parlamentarische Demokratie, die in dem Aufruf an seine Anhänger gipfeln, man solle den Wahlen fernbleiben. Ein anderer Klassiker von ihm ist erschienen unter dem Titel „rassistischer Zionismus“: Die Juden seien die Nazis von heute. Erstaunlicherweise findet er neben Gästen aus der Abteilung „deutsch-sowjetische Freundschaft“ immer wieder auch Gesprächspartner, die man gerne sieht. Denen läßt er in schlecht geführten Gesprächen viel Raum, so daß gelegentlich sogar ein Erkenntnisgewinn bleibt. Das macht ihn und sein Medium nur noch gefährlicher.
Und wer finanziert das Ganze?
Niemand weiß es; angeblich durch Crowdfunding. Die Nähe zu Rußland und der Mangel an Transparenz werfen Fragen auf.
Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Sind alternative Medien eine Bereicherung, weil sie Vielfalt schaffen? Wenn man in Deutschland im Jahr 2018 bezweifelt, daß Vielfalt immer gut ist, muß man seinen ganzen Mut zusammennehmen, denn Popularität gewinnt man mit dieser These nicht.
Ich bin jetzt mal frech: Vielfalt per se ist keine Bereicherung. Manchmal ist es auch eine Verarmung.
Wenn Bilgili Üretman aus Soest auf seinem Blog seine 30.000 Gefolgsleute darüber spekulieren läßt, ob auf ihn – den treuen Anhänger Erdogans – ein Anschlag verübt worden sei, bis die Lokalpresse investigativ ermittelt, daß es alberne Jungs waren, die eine Wasserbombe auf seinen Balkon geschmissen haben, dann ist diese Falte in der Vielfalt kein Gewinn. Wenn Islamist Martin Lejeune seine 70.000 Abonnenten darüber informiert, daß Deniz Yüksel und Can Dündar als Terroristen ins Gefängnis gehören, dann auch das keine Vielfalt, sondern ein Beitrag zur Erosion unserer Republik.
Früher brauchte man eine Lizenz zur Verlagsgründung
Als Axel Springer nach dem Zweiten Weltkrieg die gute Idee hatte, einen Verlag zu gründen und mit der Gründung des Hamburger Abendblatts begann, brauchte er dafür eine Lizenz der englischen Militärregierung. Gleiches galt für Gerd Bucerius und die „Die Zeit“, Henri Nannen und den „Stern“ sowie Rudolf Augstein und „Der Spiegel“. Die Alliierten haben genau hingeschaut, wem sie die Verantwortung für die „vierte Gewalt“ in Deutschland übertrugen. Und das haben sie sehr gut gemacht. Einen zweiten Hugenberg haben sie uns erspart. Ich bin ihnen dankbar dafür.
Wildwesttage im Internet?
Manchmal frage ich mich in diesen Wildwesttagen des Internets, das doch erst ganz am Anfang seiner Entwicklung steht, ob wir nicht denjenigen, die durch staatliche Infrastruktur die Gelegenheit bekommen, zu Millionen zu sprechen, bestimmte Qualitätsstandards abverlangen sollten? Werbende Industrie und ihre Kunden wie auch die Nutzer der Medien sollten kritischer sein. Sollte man ab 10.000 Abonnenten Mitglied eines Journalistenverbandes sein? Unbedingt erforderlich ist die Schaffung finanzieller Transparenz. Die Zahlen des Springer Verlages oder von Holtzbrinck sind mit wenigen Klicks ermittelbar. Aber wer finanziert eigentlich all diese weitreichenden Medien, die nun unseren Alltag unter der Marke „alternativ“ mitprägen?
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