Steuern werden benötigt, um öffentliche Aufgaben zu finanzieren. Sie sollen aber die wirtschaftliche Tätigkeit nicht erdrücken. Das ist ein Balanceakt. Gleichzeitig muß darauf geachtet werden, daß durch Sonderregelungen keine Wettbewerbsverzerrung entsteht. Denn fairer Wettbewerb ist eine Grundlage einer funktionierenden Marktwirtschaft. Die EU hat durch ihr Wettbewerbskommissariat in der Vergangenheit manche spektakuläre und für die Beteiligten schmerzhafte Entscheidung getroffen. Man denke nur zuletzt an EUR 13 Mrd. Strafe für Apple, zu zahlen an eine irische Regierung, die das Geld gar nicht haben wollte. Diese Entscheidung ist nun kassiert worden.
Apple zahlt in Deutschland in jüngerer Vergangenheit EUR 25 Mio. Unterstellt wird zum Beispiel von der FAZ ein knapp zweistelliger Milliardenumsatz. Der eigentliche Gewinn sollte auch neunstellig sein. Bei Amazon sieht es nicht ganz anders aus: EUR 20 Milliarden Umsatz in Deutschland, EUR 261 Mio. Steuern und Abgaben. Überwiegend sind diese Gelder als Arbeitgeberanteil in die Sozialversicherung geflossen. Und nicht als Steuern auf den Unternehmensgewinn. Diese vergleichbaren geringen Beträge bei Milliardenumsätze sind eine Konsequenz der besonderen Möglichkeiten globaler Konzerne, die Steuerlast zu verlagern. Sie sind eine Konsequenz der historisch betrachtet immer noch jungen und weitgehend unregulierten Globalisierung. Das ist vermutlich legal. Und kann man den Unternehmen deshalb auch nicht vorwerfen soweit dies zutrifft. In manchen Fällen sind Vereinbarungen mit einzelnen Regierungen getroffen worden, wie zum Beispiel in Luxemburg. Die kann man den beteiligten Regierungen vorwerfen, denn es handelt sich in einigen Fällen um nichts anders als staatlich sanktionierten Steuerumgehung und Wettbewerbsverzerrung.
Gerne werden Urheberrechte in Länder verlagert, in denen ein besonders niedriger Steuersatz gilt oder, in dem ein sehr niedriger Steuersatz mit der betreffenden Regierung vereinbart werden kann. Dann wird aus diesem Land – sagen wir mal Luxemburg – der entsprechenden Organisation – zum Beispiel Starbucks Frankreich – eine deftige Rechnung für die Nutzung der Marke Starbucks gestellt. Das Ergebnis: Die erheblichen Gewinne dieser Unternehmen unterliegen damit zu einem großen Teil nicht mehr den Steuergesetzen in Frankreich, Deutschland oder Italien, sondern den niedrigen Sätzen Irlands oder sogar den noch niedrigeren ausgehandelten Steuersätzen Luxemburgs.
Dagegen vorzugehen ist kompliziert: Die Staaten achten völlig zu Recht darauf, ihre fiskalische Hoheit zu wahren. Ist es doch ein wichtiges Gestaltungsinstrument für jede Nation. Auf der anderen Seite verstehen die Menschen nicht, wie gerade besonders profitable Konzerne nahezu keine Steuern zahlen. Das führt zu Verdrossenheit. Und ist schlicht wettbewerbswidrig gegenüber anderen Unternehmen, denen diese Wege nicht offenstehen.
Wie sind nun die verschiedenen Unternehmenssteuersätze in der EU?
Wir sehen also eine große Bandbreite. Muß dies europaweit harmonisiert werden wie die berühmten Gurken? Sicherlich nicht. Europa will den Wettbewerb. Und das ist auch gut so. Irland wäre nie aus der Rolle des Armenhauses aufgestiegen, wenn es nicht große internationale Konzerne mit niedrigen Steuersätzen auf die Insel gelockt hätte. Diese Chance bietet sich nun auch anderen Staaten, wie zum Beispiel Griechenland oder Portugal. Deutschland hingegen muß nicht in diesen Wettbewerb eintreten. Der deutsche Staat hat sich dafür entschieden, besonders weitreichende Leistungen zu bieten, die höhere Steuersätze verlangen. Der Standort wirbt mit guter Ausbildung, exzellenter Infrastruktur, Rechtssicherheit und einem großen nationalen Markt.
Was also tun, um den zu weitgehenden Entzug der Besteuerung aus einzelnen Märkten zu vermeiden? Zwei einfache Maßnahmen könnten große Wirkungen entfalten:
Mindestbesteuerung in der EU
Die EU sollte den Wettbewerb der Volkswirtschaften innerhalb der Union weiter erlauben. Aber es sollte eine vertretbare Untergrenze eingezogen werden. Diese sollte aus meiner Sicht bei 12,5% liegen. Ausnahmen davon, zum Beispiel zur regionalen Förderung (wie einst bei der Zonenrandförderung) müssen von der EU als Beihilfe genehmigt werden. Man denke nur an die französischen Überseeterritorien wie Reunion, die sonst keine Chance haben. „Deals“ wie Luxemburg sie gerne mit Steuersätzen jenseits von Gut und Böse abschließt, sollten damit völlig ausgeschlossen sein.
Transparenz der Bilanz
Unternehmen mit Umsätzen jenseits von EUR 1 Mrd. sollten in ihren Bilanzen Umsatz und zu versteuerndes Ergebnis in einem nationalen Markt, wie Deutschland oder Frankreich, öffentlich zugänglich ausweisen müssen. Keine Macht ist stärker, als die der Verbraucher. Der Verbraucher kann dann selbst entscheiden, ob er bei einem Konzern einkaufen möchte, der gerne die öffentlich finanzierte Infrastruktur eines Landes oder die gute Ausbildung nutzt, sich aber durch fragwürdige gesellschaftsrechtliche Konstruktionen davor drückt, diese mitzufinanzieren.
Ein klug geführtes, auf Nachhaltigkeit gerichtetes Unternehmen kann hieraus sogar einen Vorteil ziehen. Und darauf verweisen, daß es Teil einer Gesellschaft ist und seinen Beitrag leistet. „Wir zahlen unsere Steuern. Und zwar hier.“ Das sollte ein Slogan sein, der mit Stolz verkündet wird. Kluge Menschen würden sich das zertifizieren lassen; als Gütesiegel.
Selbstverständlich haben diese beiden Maßnahmen nur Sinn, wenn gleichzeitig die öffentliche Hand verantwortungsbewußt mit dem ihr zufließenden Geld umgeht. Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag.
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